После августа 2020: истории ЛГБТ+ людей в Беларуси

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ZWEITE GESCHICHTE

I

Als N. verhaftet wurde und wir noch nicht alle Informationen hatten, wussten wir nicht wirklich, was da los war. Unsere Freundin schickte uns die Nachrichten per SMS aus Polen. Dieses Gefühl, wenn man nicht weiß, was man tun soll – die Katze füttern oder was sonst noch –, wenn man sich zerreißen würde, um auch nur irgendwie zu helfen, obwohl mir N. damals gar nicht so nahestand. So ging es dann bei jeder Festnahme. Das war wie bei Covid: Zuerst ist es „irgendwer da draußen“. Irgendwer ist krank geworden, irgendwen haben sie festgenommen. Ein Freund kennt jemanden mit Covid, ein Bekannter jemanden in Haft. Dann wurde der Kreis immer enger, und irgendwann wird dir bewusst, dass es in deinem Umfeld keine Leute mehr gibt, die noch nie festgenommen wurden. Und dann … gewöhnt man sich irgendwie dran. Die Empörung hält nicht mehr so lange an. Wenn es nur eine Geldstrafe ist, freut man sich. Oder man wartet eben ab.

Es ist furchtbar, dass man sich daran gewöhnt. Wenn mal wieder jemand verhaftet wird, nimmt man es ruhiger auf. So wie ein Kind, das sich an Gewalt in der Familie gewöhnt – das kann eben auch hier passieren. Als mir das bewusst wurde, dachte ich: Okay, da wirken psychologische Schutzmechanismen, aber das heißt nicht, dass ich aufgebe. 

II

Wenn man verhaftet wird, sind zwei Dinge wichtig: ob der Protestzug sein Ziel erreicht hat, und dass sich deine Leute nicht zu viele Sorgen machen. Zwischen den kurzen Schlafphasen denkst du an deine Familie und hast das Gefühl, durch eine Timeline zu scrollen – haben sie es geschafft oder nicht? Du schläfst im Stehen und erinnerst dich an Yogaübungen, bei denen man eine Position halten muss. Oder wenn dir kalt ist, dann denkst du an Wanderungen und erinnerst dich, dass dir schon viel kälter war. Du hältst dich irgendwo fest, um durchzuhalten. Und natürlich versuchen alle, einander zu unterstützen.

Schwierig ist es, wenn du die Regeln nicht kennst. Wenn du nicht weißt, wo du hingebracht wirst und was überhaupt passiert, wenn du deine Angehörigen nicht anrufen kannst. Die kriegen gesagt, dass du nicht in Okrestina bist. Dann fahren sie nach Schodino [Gefängnis etwa 50km außerhalb von Minsk – Anm. d. Ü.], obwohl du eigentlich da bist, wo du angeblich nicht bist. Du kommst auf die Polizeidienststelle, wo es heißt: „Halte die Hände nicht zu lang unters kalte Wasser, sonst verkühlst du dich.“ Und dann musst du vier Stunden auf Beton liegen, was du nur aushältst, wenn du dir die Schuhe unter die Nieren legst.

Wenn du glaubst, du wirst verhaftet, durchläufst irgendein polizeiliches Verfahren, dann kommst du irgendwo hin, wo es einen bestimmten Tagesablauf gibt, und nach 15 Tagen kommst du genauso wieder raus, wie du reingekommen bist – so läuft das nicht. 

Nach meiner Verhaftung dachte ich zuerst, ab jetzt hätte ich noch weniger Angst. Ich weiß noch, wie ich beim nächsten Protestmarsch war und begriff, dass das Unsinn war. Ich fühlte mich an sich wohl, aber bei der geringsten Bewegung der OMON [Spezialeinheit der belarusischen Polizei – Anm. d. Ü.] oder wenn einer rannte, dann begann in meinem Inneren etwas zu reagieren. Ich ging fast bis zum Schluss mit, aber als bei der Oper die Tichari [„Spitzname“ für OMON-Mitarbeiter – Anm. d. Ü.] vorbeirrannten, setzte ich mich geradewegs auf die nächste Bank und rauchte eine Zigarette und spürte: Dass ich ab jetzt weniger Angst haben würde, das war ein Irrtum. Danach ging ich gleich zur U-Bahn. Eigentlich gehst du so dahin, bereits abseits des Protests, ohne Bändchen oder Fahnen, einfach so – und trotzdem weißt du nicht, ob du es bis zur U-Bahn schaffen wirst. Misstrauisch beäugst du jeden vorbeifahrenden Kleinbus, sogar beim Anblick der Security im Supermarkt legt sich in dir ein Schalter um. Solche Folgen sind fix, die Frage ist nur, wie man damit zurechtkommt.  

III

Der erste Sonntagsmarsch bot ein unfassbares, einfach überwältigendes Bild. Wir waren so viele! Aber das Gefühl von Gemeinschaft stellte sich erst später ein. Ehrlich gesagt hatte sich in der letzten Zeit das Leben so entwickelt, dass es so aussah, als ob jeder für sich allein existierte. Wahrscheinlich begann man erst durch Covid wieder zu spüren, dass man sich im Fall des Falles auf jemanden verlassen konnte. Aber wenn man das lange nicht erfahren hat, ist es gar nicht so einfach, darauf zu vertrauen.

Die erste Zeit hatte ich das Gefühl, da bin ich, da sind diese Leute, die sind irgendwie alle zusammen, und ich bin auch „irgendwie“. Dieses volle Bewusstsein von Solidarität und Gemeinschaft hatte ich nicht. Das begann, als die Leute anfingen, einander auf der Straße zuzulächeln. Das war sehr ungewohnt. 

Ich konnte erst nach Okrestina daran glauben – als ich rauskam und mir jemand Kaffee anbot, eine Decke, eine Sitzgelegenheit. Und ich weiß, dass ich das eigentlich jetzt nicht brauche, es geht mir gut, aber trotzdem … Das war das erste Mal in dieser ganzen Zeit, dass ich geweint habe. Der ganze Wahnsinn, der bis dahin passiert war, war entsetzlich gewesen, aber diese Emotion, das Weinen, rief er nicht hervor. Die andere Seite – die Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft – hat mich wohl mehr beeindruckt … Als wäre die Gewalt das, worauf du gefasst bist, was du erwartest. Das heißt, die Haft mit allen ihren unangenehmen Momenten war leichter „wegzustecken“ als dieser Becher Kaffee, den dir jemand auf der Straße hinhält und der dich einfach nur zum Heulen bringt. 

Die Menschen sind das, was mich am allermeisten fasziniert hat. Mir scheint, mit solchen Leuten kann dir wirklich nichts passieren. Es gibt so eine Übung, bei der man sich rückwärts fallen lässt, und die Leute fangen einen auf. Mir fällt das immer noch sehr schwer, aber ich glaube, hier könnte ich „springen“. Als ob du es mit deinen eigenen Augen schon sehen würdest, aber trotzdem nicht glauben könntest, dass es sowas gibt. Aber dann vertraust du doch … den Menschen, und überhaupt, dem Leben selbst.  

Übersetzung aus dem Russischen: Ruth Altenhofer

 

 

DRITTE GESCHICHTE

I

Als das alles im April anfing [COVID-19 – Anm. d. Red.], saß ich lange in Quarantäne, Apathie und Ohnmacht machten sich breit und irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich sehr viel würde tun müssen, um diese Zeit des „Winterschlafs“ irgendwie zu kompensieren. So begann meine Rückkehr ins Leben. Zuerst habe ich Masken genäht, dann habe ich mich „Food not bombs“2 angeschlossen. Ich gewöhnte mich immer mehr ans Risiko (wie die Praxis zeigte, kann man auch für Kascha3 verurteilt werden) und verstand, dass ich grundsätzlich bereit bin, mich an etwas zu beteiligen.

Am 10. August war ich mitten drin im Geschehen. Wenn es mir zu gefährlich wurde, bin ich wieder weggegangen, dann wiedergekommen, habe Wasser gebracht und bin wieder weggegangen – so stieß ich immer weiter vor. Und als ich einen Monat später las, welche Gewalt die Gefangengenommenen an diesem Tag erfuhren, verstand ich, dass ich es wie durch ein Wunder geschafft hatte, etwas sehr Schrecklichem zu entgehen. Dorthin zu gehen war keine rationale Entscheidung, es kam eher aus einem Gefühl der Schuld heraus. Am 9. August bin ich mit einer Freundin [zu den Wahlen – Anm. d. Ü.] gegangen, sie wollte zu den Protesten gehen, aber ich hatte zu viel Angst. Ich habe sie bis zur Kreuzung gebracht – und wie ich so laufe verstehe ich, dass ich einerseits gerne auf alles pfeifen und einfach hingehen würde, und andererseits eine innere Stimme mir sagt: Nein, sie werden dich dort umbringen, das brauchst du jetzt verdammt nochmal nicht. Ich drehte also um und ging nach Hause. Ich habe mich geschämt und mir viele Vorwürfe gemacht, dass ich nicht mit ihr gegangen bin. Am nächsten Tag beschloss ich: Was solls - ich geh.

Es fiel mir schwer, mich rauszuhalten. Ich konnte nicht schlafen, ich glaube, dass viele das nicht konnten. Ich tigerte in der Wohnung umher, vom Balkon aus konnte ich alles hören, sogar wenn ich die Tür schloss konnte ich alles hören. Ich ahnte, dass ich hier den Verstand verliere – es gab kein Internet, keine Ablenkung. Und ich wollte mich auch nicht ablenken, ich war nicht in der Lage dazu. Deshalb beschloss ich, rauszugehen, unter anderem, um so etwas wie einen inneren Frieden zu finden. Und als ich dort war, dachte ich: So, hier bin ich nun, dort wo ich sein muss. Ich konnte durchatmen. Kein Herumtigern mehr.

II

Die ganze Zeit schon hatte ich den Gedanken, das Thema „queer“ in den Protest einzubringen. Noch bevor der queere Block entstand, trugen ein Freund und ich ein kleines Transparent mit der Aufschrift „Hähne und Schafe unterstützen die Bergarbeiter“, als Referenz auf die Bewegung „Lesbians and Gays Support the Miners“ („Lesben und Schwule unterstützen die Bergarbeiter“)4. Es rief keine besonderen Reaktionen hervor, außer uns und unseren Freund:innen verstand niemand diese Anspielung, aber wir waren stolz, dass wir mit einem solchen queeren Banner rausgegangen sind.

Nach ein paar Wochen waren wir schon im queeren Block unterwegs. Das erste Mal war es am beängstigenden – wir waren eine sehr bunte und auffällige Gruppe, und wenn es mir vorher immer irgendwie gelungen war, in der Menge unterzutauchen, hatte ich diese Möglichkeit hier nicht mehr. Du stehst so oder so im Rampenlicht, als hättest du eine Zielscheibe auf dem Rücken und wärst der Menge einfach ausgeliefert. Zum Glück war es nicht so schlimm. Und heute erinnere ich mich daran nicht mit dem Gefühl: „Oh Gott, du bist so ein Idiot, dass du da hingegangen bist, es war so schrecklich“, sondern eher mit Freude und Stolz.

Ich bin stolz und froh darüber, dass wir entgegen allem Hate unser Anliegen eingebracht haben. Und nicht eine Sekunde zweifle ich daran, dass es die richtige Entscheidung war. Ich habe bemerkt, dass es verschiedene Herangehensweisen dafür gab, unser Anliegen einzubringen. Manche fanden die Idee wichtig, dass die Unterdrückung, die jetzt alle Belarus:innen erfuhren, genau das ist, was wir tagtäglich spüren. Dieser Ansatz liegt mir nicht besonders. Ja, das ist wichtig, aber für mich war das nicht der wichtigste Aspekt.

Für mich war die Botschaft wichtig, dass wir existieren, dass wir auch protestieren, dass wir nicht irgendeine Gruppe sind, die immer außerhalb von allem ist und nur dann auftaucht, wenn sie etwas braucht, sondern die in der Gesellschaft immer für ihre Werte als Bürger:innen einsteht, selbst wenn „ihr davon nichts versteht.“ Für mich war es wichtig, sichtbar zu sein. Genau wie es den Studierenden, den Rentner:innen oder den Bergarbeiter:innen wichtig war, sichtbar zu sein – als eine soziale Gruppe mit starken sozialen Beziehungen zueinander, die sich genau aus diesem Grund zusammenschließen und eine größere Kraft darstellen kann, als jeder Einzelne für sich. Und das ist großartig.

Ich bin mir sicher, dass nicht viele das Banner „Wie sollen wir den OMON unseren Kindern erklären?“5 verstanden haben. Vielleicht verstanden es mehr, als „Hähne und Schafe unterstützen die Bergarbeiter“, aber trotzdem nicht so viele, wie ich es gewollt hätte. Manche sagten: „Warum vergleicht ihr das?“ (Kindern „queer“ zu erklären ist einfach und verständlich, und OMON nicht). Und wir haben erklärt, dass es eine Umkehrung ist. [Kyrillisch ОМОН liest sich umgekehrt wie lat. HOMO – Anm. d. Ü.] Mir ist klar, dass die Bedeutung nur für diejenigen verständlich war, die diesen Satz schon tausendmal in ihre Richtung gehört haben. Aber für mich ist es okay, dass das ein Insider-Witz war.

III

Ich habe mich auch dann als Teil der Proteste gefühlt, wenn ich mich nicht extra als queer oder als Teil des queeren Blocks zu erkennen gegeben habe. Queer ist ein Teil meiner Identität, nicht meine gesamte Identität, deshalb war es für mich auch okay, mich nicht zu erkennen zu geben. Ich fand es interessant, sowohl unter dem einen, als auch unter anderen Aspekten teilzunehmen.

Ich habe die Parole „Loschki Petuschki!“6 nicht gerufen, aber ich habe auch keine besonders starke Wut oder Trauer darüber empfunden, dass so viele sie gerufen haben. Ich verstand, dass die Leute Hassrede reproduzieren können, ohne sie zu analysieren, ohne all ihre Bedeutungen zu verstehen, und ich war bereit, die politische Korrektheit des Vokabulars beiseite zu lassen, da wir alle ein gemeinsames Ziel hatten.

Ich hatte unterschiedliche Gefühle in Bezug auf die Parole „Es lebe Belarus!“, da das im Prinzip ein nationalistischer Ausruf ist. Ich habe sie mein ganzes Leben mitgerufen, aber diesmal habe ich angefangen, das zu überdenken. Manchmal habe ich nicht mitgerufen, aber manchmal habe ich trotzdem angefangen, die Parole zu rufen – es war so, als ob sie sich über die nationalistische Idee erhob und einfach eine Parole des Protests wurde. Genau wie die weiß-rot-weiße Flagge. Meine Lieblingsparole war „Awtosaki in den Awtosak.“. „Lukaschenko in den Awtosak“ habe ich manchmal gerufen, aber dann habe ich auch das überdacht – schließlich bin ich gegen Gefängnisse. Andererseits ist das einfach ein Ausdruck von Wut. Und es ist normal, wütend zu sein. Wut ist normal und es ist wichtig, sie auszudrücken. Aber ich bin doch gegen Gefängnisse. Ich war wieder hin- und hergerissen. Als ich dann „Awtosaki in den Awtosak“ gehört habe, habe ich nur noch das gerufen. Das hat sowohl die Wut, als auch eine idealistische, rationale Positionierung perfekt zum Ausdruck gebracht.

IV

Ängste [vor der Verhaftung – Anm. d. Red.] habe ich bereits im Juni 2020 gespürt. Einmal habe ich das mit meiner Freundin besprochen und einfach nur geschluchzt bei dem Gedanken, dass ich ins Gefängnis kommen könnte und ich dort (mit meinen zu „männlich“ geänderten Dokumenten) komplett am Arsch wäre. Weil ich schon Anfang des Sommers diesen ganzen Schrecken und die Sorgen darum, wie es sein könnte, durchlebt hatte, habe ich wahrscheinlich im September, als ich mich entscheiden musste, ob ich [zu den Protesten – Anm. d. Ü.] gehen sollte oder nicht, nicht mehr darüber nachgedacht, ob sie mich als Mann sehen würden oder nicht, und wie sich das auf mich auswirken könnte. Ich stütze mich eher auf irrationale Gefühle – habe ich Angst oder nicht, bin ich besorgt, oder nicht. Das war eher eine emotionale Entscheidung. Mir scheint, dass die Teilnahme an den Protesten vor allem von Emotionen bestimmt wird: Heute habe ich keine große Angst, also gehe ich, heute habe große Angst, also gehe ich nicht.

Als sie meinen Freund, einen trans Mann, festgenommen haben, habe ich mich schuldig gefühlt, dass sie uns nicht gemeinsam mitgenommen haben. Das ist die Schuld des Überlebenden. Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht. Das ist natürlich sehr schrecklich – man kann sich vorstellen, welche besondere Behandlung es dort geben kann. Und die gab es auch. Mir war es wichtig, alle Details darüber zu erfahren, was ihm geschehen ist, um mir vorstellen zu können, was mir passieren könnte. Und da ich mir im Juni bereits sehr genau vorgestellt hatte, was die schlimmsten Szenarien sein könnten (Vergewaltigung, körperliche Gewalt usw.), und da ich so etwas nicht mitbekommen habe, habe ich mich ein bisschen entspannt. Nach dem Motto – es ist alles scheiße, aber nicht so sehr, wie ich es mir vorgestellt hatte. Er ist da rausgekommen. Natürlich werden die Träume davon ihn sein ganzes Leben begleiten, aber er ist wenigstens physisch unversehrt rausgekommen. Danach habe ich mir etwas weniger Sorgen gemacht. So beängstigend, falsch und unmenschlich diese Behandlung auch war, schien sie mir ein Risiko zu sein, das ich bereit war, eingehen zu können.

V

Nachdem ich bei zwei Protestmärsche im queeren Block mitgelaufen bin, hatte ich einen Anfall von Untergangsstimmung. Einige meiner Freund:innen waren bei anderen Märschen festgenommen worden, und seit diesem Moment hat meine Aktivität in Bezug auf das Rausgehen auf die Straße stark nachgelassen. Ich bin noch zu einem Marsch gegangen, bei dem sie viele Leute aus dem queeren Block festgenommen haben. Wir waren erst fünf Minuten unterwegs, und schon war es vorbei. Die Stimmung war damals bereits sehr von Erschöpfung geprägt. Danach bin ich erst wieder im Dezember zu einer sehr riskanten Sache gegangen. Und da war der Zustand bereits deutlich depressiver. Trotzdem hat mir das eher den Rücken gestärkt. Wenn ich mich mit anderen Leuten aus dem queeren Aktivismus vergleiche, die öffentlich über ihre Gefühle schreiben, habe ich das Gefühl, dass ich trotz allem hoffnungsvoller bin, dass nicht alles verloren ist. Ich glaube, dass das an den Handlungen lag, die ich vollzogen habe, und die mir Kraft gegeben haben, auch wenn sie riskant waren.

Trotz all der schrecklichen Dinge, die in der Welt passiert sind, war 2020 für mich ein sehr tolles Jahr. Ich habe am Leben teilgenommen und gespürt, dass ich nützliche Dinge tue. Ich habe neue Freund:innen gefunden und die Proteste haben mir geholfen, meine Wut besser zu spüren. Ohne zu übertreiben, ohne zu versuchen, auf philosophische Weise den Nutzen des Schlechten in meinem Leben zu rechtfertigen, kann ich wirklich mit Freude und Überzeugung sagen, dass ich eher mit Gewinn und mit vielen Pluspunkten aus diesem Jahr herausgegangen bin, und dass ich weiterhin dazugewinne, weil noch nichts vorbei ist. Viele sagen von sich: „Ich vor einem Jahr und ich heute – das sind zwei verschiedene Leute.“ Das fühle auch ich sehr stark. Bei mir ist auch im Privaten sehr viel radikal Neues passiert, von dem ich früher nie gedacht hätte, dass ich es mir überhaupt erlaubt hätte. Und ich glaube, das ist diese transformative Welle des ganzen letzten Jahres, die dich antreibt und dich dazu bringt, dass du dich auch selbst veränderst und etwas Neues tust – nicht unbedingt etwas besseres oder schlechteres, es ist nicht klar, wie man das messen soll, einfach etwas qualitativ Neues.

Übersetzung aus dem Russischen: Judith Geffert

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